Bastelei vom Feinsten

ANDREA MAURER UND THOMAS BRANDSTÄTTER BEI IMAGETANZ 2011: DIE VERWANDLUNG EINER PERFORMANCE IN EINEN FILM 


Von Sabina Holzer

Studio 5  aka Andrea Maurer und Thomas Brandstätter zeigen in Zusammenarbeit mit den Performern Thomas Kasebacher und Nicholas Hoffman, dem Musiker David Muth, sowie Marlene Liska und Teresa Prothmann (mit Maurer: Objekte und Ausstattung), The End, „eine handgemachte Filmmontage in Echtzeit“ (Programmheft). 



Im Foyer vor dem Saal des Brut Künstlerhaus ist eine „Green Box“ aufgebaut. DarstellerInnen, Objekte, Kamera, Licht, Computer – ein Filmset also, abwartend, im Standby. Unaufdringlich, dafür umso sichtbarer. Das Publikum drängt sich an der Konstruktion vorbei in den Theatersaal, wo eine weiße Leinwand aufgespannt ist und nimmt in den Sesselreihen Platz.
Kino und Projektion.
Die Wirklichkeit, so weiß man, findet vor der Tür statt, die sich schließt und das Publikum in tiefes Dunkel hüllt.



Andrea Maurer, Thomas Kasebacher und Nicholas Hoffman werden als schwarze Figuren auf die weiße Fläche projiziert. Stehend, sitzend, abwartend schauen sie ins Publikum. Hinter ihnen, der Titel des Stücks: THE END. Im Auf- und Abgehen der DarstellerInnen rutschen die Buchstaben in verschiedenen Schriftstilen immer weiter nach unten aus der Bildfläche. Dieses ist, sozusagen, der erste Streich: Wir erfahren die Horizontale der Zeitebene und die Vertikale als räumliche Komponente.



Was folgt, ist eine humorvolle, spielerische, intelligente Szenenabfolge. Eine Dekonstruktion von Elementen unserer Wahrnehmung, mit denen wir uns die Welt zusammenbauen. Als erstes wird die Zeit, eingeteilt auf beschrifteten Schildern über die Körper der Performer gelegt: Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Mit diesen Zeittafeln und dem Versuch, die Zeit festzuhalten, ihr gerecht zu werden, ihr eine Richtung (von links nach rechts) zuzuweisen und den Positionen von Thomas Kasebacher – der immer wieder versucht, der Vergangeheit zu entkommen und der Zukunft nachzulaufen, die sich unberechenbar nach links und rechts verschiebt – entsteht ein kleiner, komischer, feinsiniger Tanz. Er steigert sich, bis… Unterbrechung: ein schwarz-weißes Rauschsignal.



Die Fläche als Firmament


Die meisten Szenen folgen diesem kompositorischen Prinzip: Anordnungen, die im Wechselspiel zu humorvollen Handlungen werden, sich verselbständigen und zu tanzen beginnen um dann Unterbrochen zu werden.

So die Fragmentierung der Körper mittels quadratischer Spiegel. Gerahmt als Bildausschnitte tauchen sie auf der weißen Fläche auf oder legen sich wiederum über Körperteile anderer Figuren. Dann das Erforschen der schwarzen Fläche mit weißen, papierenen Lichtstrahlen, bis ein erster Buchstabe, ein Q, von oben nach unten sinkt. Aus einem Buchstaben wird ein Buchstabenhaufen, durch den die Darsteller sich durchgraben müssen. Zahlen rechnen Körper in tanzende Pixelfiguren um. Maßstab, Geodreieck und Winkel verwandeln die schwarze Fläche in ein Firmament, einen unendlichen Raum, in dem Sternenkonstellationen sichtbar werden. Die Leiter in der Hand von Andrea Mauer wird zum Filmstreifen mit einigen Kadern. Die immer wieder vorkommende Geometrie von Rechteck und Kreis verbindet sich zum Apparat, aus dem schließlich KünstlerInnen als papierene Figuren heraustanzen und wieder hineinfallen: Man Ray, René Magritte, Gertrude Stein, das Rad von Marcel Duchamp, Jacques Tati und andere Freunde.



So entfaltet sich die zweidimensonale Fläche zum Raum, in dem die Bilder laufen lernen. Die dritte Dimension wird zum Hintergrund als Bildcollage, die sich mal von links nach rechts, mal in die andere Richtung bewegt. Und Nicholas Hoffman auf dem Geodreieck als Skatebord geleitet staunend durch diese Welt.

Tatsächlich staunt man selbst: Wie haben sie das wohl gemacht, dort vor der Tür?  



The End tanzt mit den Positionen der ersten künstlerischen Avantgarde des 20.Jahrhundert durch das Regelwerk unserer Wahrnehmungsgeometrie.

Im Spiel zwischen Zeichen und Bedeutung zeigt The End einmal mehr humorvolle und geistreiche Möglichkeiten, mit der Ordnung der Dinge umzugehen, ohne auf Spektakelkultur zurückzugreifen. Und das ist, am schon recht reifen Beginn des 21. Jahrhunderts, eine ziemlich erfreuliche Aussicht.


 (18.3.2011)