Der Flaneur indes sucht keineswegs die Zerstreuung, im Gegenteil,
er ist ein Sammler. Schönes oder Hässliches, Heiles
oder Geborstenes, alles wird ihm Gegenstand der Betrachtung,
die Gewinner, die Verlierer, die Fröhlichen und die Traurigen.
Man muss das nicht gleich politisch nennen, aber ein Widerspruch zu dem,
was ist und gilt, liegt doch darin. „Der Müßiggang des Flaneurs ist eine
Demonstration gegen die Arbeitsteilung“, fand Walter Benjamin.
Nur ist der Flaneur das Gegenteil des Demonstranten. Er will nicht wirken,
sondern Wirkungen spüren, nicht zeigen, sondern anschauen.
Ein Gruppe, mal kleiner, mal größer, trifft sich. Trifft aufeinander um miteinander und mit sich zu sein. Um gemeinsam durch
die Stadt zu streifen. Entlang der Umgebungen. Mit dem was einen umgibt. Da und dort. Damit in Kontakt kommen. Spielerisch.
Mit achtsamen Streifzügen. Zwischenräume ausloten. In Berührung kommen. Gehen. Nähe und Entfernung erfahren.
Ohne Fahrzeug. Im Gehen. Im Sein. Mit den anderen. Mit der Stadt.
Die Gruppe, am Treffpunkt ist wie eine kleine Versammlung. Versammelte Menschen im öffentlichen Raum. Einladungen
werden ausgesprochen: „In Stille zu gehen.“ „Nicht mit den anderen zu kommunizieren.“ „Nicht durch Worte oder Gesten oder
Mimik oder sonstigen, üblichen Hinweisen.“ „Mit dem was ist sein.“ Mitsein. In Bewegung. „Die Zeit einladen.“ Jede/r seine / ihre Zeit.
Ein „Danke“ am Ende, (so wird angekündigt) löst diese Regelung der Verständigung. Der Zauber wird trotzdem nicht aufgehoben.
Obwohl mit dem „Danke“ das konventionelle in-Kontakt-treten wieder aktiviert wird, hat sich der Spaziergang ausgebreitet.
Wir hören die Stadt immer noch. Sind mit der Stadt. Wenn wir uns erzählen und austauschen. Vom Stand der Dinge.
Den Bewegungen. Dem Flux. Dem Federn der Schritte. Dem Innehalten. Wenn wir dann unser Worte auf den Weg schicken.
Von hier nach dort. Zum Anderen. Zum Nächsten. Zu Dir.
In der Gruppe wird die Gruppe Teil der Umgebung. Hier umgibt sie mich als Feld. Offen und schützend zugleich.
Mit der eigenen Zeit. Sie zieht und treibt. Lässt einen sinken. Körper werden. Zelle. Mehrzeller. Gruppe werden.
Körper werden. Immer wieder. Bewegen im eigenen Schwung. Sinken und Steigen. Landen ohne anzuhaften.
Ausdehnung in alle Richtungen. Verlangsamtes Flirren. Manchmal auch hüpfen. Entlang irgendwelcher Linien am Gehsteig
balancierend. Kindliche Unbekümmertheit tut sich auf. Und doch Vorwärts. In gewisser Weise einem Wissen folgend.
Claudia Heu und Axel Brom. Die dem Wissen der Gruppe folgen. Sich danach richten. Eine räumlich ausgerichtete Bewegung
aufspannen. Einen Bogen. Flug- und Fließrichtung. Sie geben den Weg an. Vorne und hinten. Wegbereiter*innen vorne.
Schlusslichter hinten. Um nochmals den Raum aufzuspannen und zu erhellen. Mit Aufmerksamkeit. Für die anderen.
Für die Ausrichtung. Das gemeinsame Feld wahrnehmbar machen. Welches entsteht. Und manchmal einfach steht.
Schwingt und steht. Unmerklich. Sie sind die Fassung. Von diesem formlosen Gefäß, diesem gefassten Raum.
Dieser formlos gefassten Raumgruppierung, die durch die Stadt streift. Mit Schritt und Tritt.
Trotten und Trödeln. Ganz ungewöhnlich, für dort wo ich wohne. In dieser Stadt, dieser Heimatstadt.
Dieser Stätte, in der etwas stattfindet. Immer. Hier. Mit meinem Nächsten. Vertraut und fremd immer wieder.
Ungewöhnlich dieses Treiben, dieser andere Rhythmus. Wenn es nicht im Park oder anderen Freizeitanlagen stattfindet.
Wenn im Straßenverkehr ein anderes Tempo auftaucht. Ein Gruppenraum sichtbar wird. Raum, weil zwischen den
Gliedern der Gruppe unterschiedlicher Abstand ist. Ein beweglicher Abstand. Ein beweglicher Bezug zu Innen und Außen.
Ungelenkter Raum, der sich seinem eigenen Sehnen, seiner eigenen Gravitation hingibt. Seine Gruppenelastizität übt.
Trotz der Alltäglichkeit des Gehens entsteht eine nebensächliche Künstlichkeit. Eine Einnahme. Der begangene Raum
vergeht nicht. Er wird in Besitz genommen. Wird temporär überlagert. Nimmt eine andere Gestalt an. Tritt auf. Tritt ein.
In den öffentlich Raum. Aktive Mitglieder sind wir. Werden wir. (Keine Phantomglieder.) Die Selbstvergessenheit des
Privaten weitet sich auf die Öffentlichkeit aus. Nicht nur funktionierend von hier nach da rennen. Ohne Dazwischen.
Ohne Übergänge. Ohne Zeit in der elektrisch-digitalen Stadtmaschinerie. Nur mit Geld wird Raum zugänglich, um dieses auszugeben.
Oder im Umherziehen. Dem Ziehen entlang der Fäden des Stadtgewebes. Sie zu öffnen. Zu verdichten. Zu verknoten,
dass aus ihnen Flächen entstehen. Begegnungen. Gehwege und Fluchtlinien. In der Stadt. Zu und Miteinander.