Miss Coochie träumt

Sabina Holzer ’09
„Schlafen in Wien – 48 Stunden Performance“ Hotel Fürstenhof
ensemble für städtebewoner

 

Eins: Es gibt Zeiten auf Reisen zu sein und es gibt Zeiten Probleme zu haben

Miss Coochie zeigt einem Mädchen ein Foto aus ihrer Kindheit. Sie hatte damals lange Haare und trägt ein Tuch. Das Mädchen ist sehr erstaunt. Als Talisman brennt sich das Bild für immer in ihre Seele. Wo ist das Kind? Das Kind ist immer. Miss Coochie: – erkannt aber nicht belästigt.

Paul Sernine und Miss Coochie haben einen Auftrag und müssen sich eine Bleibe bauen, das heißt: sie schaffen sich ein Territorium auf einer der Plattformen. Sie richten sich dort ein. Die Plattform ist beweglich. Sie kann hinauf und hinunter fahren.
Sie besorgen sich ein so genanntes Fahrrad. Einen Jaguar. Der Jaguar kann Teil der Plattform werden und auf diese Art verschwinden. Sie selbst können mit Hilfe des Jaguar unsichtbar werden und sich so zu anderen Orten begeben.

Das Mädchen kommt zurück. Ein Junge ist bei ihr. Sie verfolgen Paul und die Miss. Sie sind ihre Schatten und voller Hoffnung. Der Paul und die Miss geben dem Mädchen und Jungen für 3 Tage 3 Aktionen, 3 Dinge, die sie 3 Tage tun können. Ruhen. Gleiten. Bohren. Oder anders ausgedrückt: Lieder, Farben, Linien. Bei den Menschen vor allem auf Hände, Falten und Körperschwung achten. Boogie Woogie. Das alte Gesetz der Jäger. Das Mädchen und der Junge sind betroffen und glücklich: es sind ganz genau die Dinge, die sie schon immer tun wollten. Er warten. Emp fangen. Annehmen. Verfangenverneheenanfangenbewertenverwertenvernehmenbefangenverfangenanfangenannehmen.

Ein Freund kommt und holt Paul ab. Sie müssen etwas besorgen.
Sie machen eine Reise zu den Wasserspeichern unter der Stadt. Dort trifft er einen Mann, der König Salomon spielt und weil er ihn spielt, ist er König Salomon und verfügt über seine Zauberkräfte. Das Aussprechen aller Sprachen nämlich, das In-Worte-bringen, das Wort-für-Wort, das Zu-Worten-hinführen. „In der Sprache kann ich dich benennen. Ich kann dich finden, erfinden und gehen lassen, ich kann, verzeih, in meiner Sprache kann ich Verzeihung finden. Sprich mich los, sprich mich an, sprich mich frei, sagen die Worte, die mich weiterziehen lassen.“ sagt er. „Gib dort, wo du nicht findest.“ Die Körper formulieren sich langsam. Sie sind eingebunden in die Zeit. Die Körper verbrennen den Fluss, in dem die Zeit sich verfließt. War mein Leben ein Heute, ein erster Tag?

Miss Coochie geht in der Zwischenzeit einkaufen.
Stellen Sie sich eine Fleischerei vor. Wie zum Beispiel die in Berlin Naunynstraße 96. Junge islamische Frauen arbeiten dort. Auch Männer. Es wird türkische Musik gespielt und die Atmosphäre ist freundlich. Man will eine Wurst kaufen. Sie ist zu teuer. Man gibt sie zurück und lässt sich eine neue Wurst schneiden. Eine islamische Frau beginnt zu klagen. Sie fühlt sich übergangen. Sie wiegt den Kopf vor und zurück. Sie ruft und wirft die Arme in die Luft. Dieses eine Mal war einmal zu viel. Sie schlägt mit den Fäusten gegen die Tür. Niemand kann sie beruhigen. Außer ein kleines Lied. Eine Geschichte. In dieser Nacht waren alle Katzen Pferde.

Zwei: Das Problem

Über die Jahrhunderte haben die Faschisten den Bewegungen Bedeutungscodes zugeschrieben und so ein geheimes Kommunikationsnetz aufgebaut, über das sie sich verständigen. Die Weiterführung von Bewegungen ausgehend von bestimmten Körperteilen hat entsprechende Bedeutung. Für Menschen wie du und ich ist das wie ein permanenter Appell an das Unbewusste. Seit einiger Zeit verwenden auch Neoliberale diese Sprache. Sie führen die Bewegungen immer weiter, damit ein Sog entsteht. Sie nutzen diesen Bewegungsfluss für eine atemlose Aktivitätsmanipulation. Als ob Aktivität für sich stehen würde. Zur Zeit setzen sie jedoch immer wieder Brüche in diesen aktiven Aktivitätsrausch. Das ist ihre Tarnung. Damit wollen sie auch die für sich gewinnen, die beginnen, sich auf Grund der Krise ernstlich sorgen zu machen.

Drei: In dieser Nacht waren alle Katzen Pferde

Paul kommt mit sehr vielen Plattencover zurück. Also wirklich sehr vielen. Einem ganzen Stapel. Man sieht ihn gar nicht. Auf einem ist eine wolfsartige Tiermaske. Die Tiermaske öffnet sich. Der Jaguar schnurrt. Paul Sernine lacht und legt sein Messer auf den Tisch. Miss Coochie singt ein Lied. Sie dreht den Faden, der aus ihrem Gesicht ein Ornament macht.

Es hat sehr lange gedauert die Pferde zu zähmen. Wir alle wissen das.
Wir erinnern uns an den Halfter. Die wilde Mähne. An das langanhaltende Flüstern.
Auch in dem Haus am Land dauert es lange die Pferde zu zähmen. Der kleine Junge ist drei Jahre alt und geht in der Nacht in den Stall. Er schlafwandelt. Er lacht und weint und brüllt den Tieren zu. Sie sind ganz aufgescheucht. Der Junge bringt die Pferde in die Küche. Sie kochen und bringen alles durcheinander. Die Pferde haben großen Spaß. Nur der Großvater kann sie beruhigen. Er sagt: Nehmt da ein Bild, dort ein Gefühl, hier eine Zitrone. Nehmt mich und schaut mich an mit Freude, nicht zu streng. Ein doppeltes Bild zumindest. Ein Fenster. Ein Geheimnis. Geht Immer wieder zu diesem Fenster und schaut hinauf. Blick. Werft einen Blick und lasst die Augen sehen. Ersehen. Ausersehen. Wann wird es sich zeigen? Eine Straße bildet sich zum Entlanggehen. Dankeschön. Wohin hätte ich mich sonst wenden dürfen. Meine Füßen setzen dürfen. Den Boden berühren und sich kaum merklich in Verbindung setzen mit Himmel und Erde. Zwischendurch die Zähne zusammenbeißen. Zwischendurch das Zungengelenk lösen. Mit dem Stift sich ins Dunkel tasten. Das Dunkel ertasten. Ein Leuchtstift ist etwas anderes, bitte sehr. Entschuldigen Sie, auch diese Stimme ist sicher nicht die von Adolphine. Sie ist ihr Echo. Und auch du kannst nicht einfach sagen Adolphine ist ein Scherz, kann nur ein Scherz sein. Ich hau dir eine aufs Maul. Der Schlag. Die Lippen. Die Zähne. Adolphine war Adolphine war lustig und stark. Lass dich nicht ablenken. Ich habe sie vergöttert. Adolph hat Adolphine vergöttert. Er hat sie sehr geliebt. Hier ist eine Bindung voll Zuneigung und Geheimnis.
Der Junge hat ein Medaillon gefunden. Adolph und Adolphine. Er trägt sie in seinem Herzen.

Das Mädchen hat eine Wahrsagerin getroffen. Die Wahrsagerin sagt, sie hätte ihre Wurzeln in Amerika, und weiß, dass sie als Kind vom Fahrrad gefallen ist. Wie kann sie das wissen? Das Mädchen hat sich damals zwischen den Beinen verletzt. Sie wurde von Männern lachend untersucht. Sie kennt Schmerz und Verrat. Sie weiß, es ist wichtig in Bewegung zu sein, umher zu wandern. Die alte Frau ist eine jüdische Zigeunerin. Sie gehen gemeinsam auf einem Friedhof. Das junge Mädchen fragt die Zigeunerfrau, warum man auf jüdische Gräber Steine auflegt. Die Zigeunerin sagt, man bringt Steine und bittet die Ahnen, dass sie einem helfen Steine aus dem Weg zu räumen.