It is not the picture

It is not the picture | Performance

Concept: Sabina Holzer in collaboration with Jack Hauser
Performance: Sabina Holzer
Space and projection: Jack Hauser
Live sound and composition: Martin Siewert
Conceptual cartographer: Jeroen Peeters

Production: cattravelsnotalone
With the kind support of: Wien Kultur, WUK ttp, Liquid Loft, WUK, Tanzquartier Wien.

iintppic
Video-still: Jack Hauser

From an indeterminate recurring draught, a listening-to, a pervasive reading first came an airy dance.
Naturally, this airiness was neither real levity, nor was it without consequences and promises.
She has picked up the trail and is now following a map.
In this process, the movements of remembering and forgetting, a space for touching the other unfolds
– alien, at once far away and near.
This investigation of the other results in permanent deviation, a sure missing of the target,
and leads to dealing with choreography as an act of approximation.
As dis/sension, trans/gression and permanent negotiation.

Listening-to stands for Morton Feldman; pervasive reading for Maurice Blanchot.

The Making Of

Morton Feldman war einer der führenden Komponisten der Moderne (1926–1987), der sich mit den Malern der New Yorker Schule beschäftigte.
Denkprozesse und kompositorische Ansätze von Philip Guston, Mark Rothko, Ad Reinhardt oder Willem de Kooning übten auf seine Arbeit
wesentlichen Einfluss aus.

Feldman formulierte in seinen Lectures seine Distanzierung von der klassischen europäischen Musikgeschichte und die Notwendigkeit,
alte tradierte Formen auf unterschiedliche Weise zu hinterfragen. Sie hatten ihre Gültigkeit eingebüsst; für Feldman als Jude waren sie
ohnehin keine selbstverständlichen kulturgeschichtlichen Gegebenheiten. Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust hat vielerlei Spuren
in seiner Arbeit hinterlassen. Eine davon war eine grundlegende Ablehnung gegenüber Manipulationen des künstlerischen (in seinem Fall klanglichen)
Materials zu Gunsten eines entwickelten (Kompositions-) Systems. Er plädierte dafür, die Aufmerksamkeit auf Prozesse zu lenken, und versuchte auf
eine Art und Weise zu komponieren, die das ermöglichte.

Feldman’s String Quartet II, mit dem wir uns in IT IS NOT THE PICTURE beschäftigten, hat einen für ihn ungewöhnlichen rhythmischen,
strukturellen Aufbau, der sich im Laufe der Zeit immer mehr transformiert, in einander schiebt und überlagert. Als ob dieselben Klangfiguren
immer wieder auferstehen, verschwinden und sich so weiter bewegen. Die Varianten eines Musters haben aber nicht nur die Funktion,
das Material aufzulösen, sondern sollen – vor allem – die Erinnerung verfremden.

Diese Auseinandersetzung hat die Erarbeitung von IT IS NOT THE PICTURE massgeblich geprägt. So, wie bei Feldman der Klang im Zentrum
der musikalischen Auseinandersetzung steht, wollten wir, Sabina Holzer, Jack Hauser, Martin Siewert – in der zweiten Phase gemeinsam mit
Jeroen Peeters – ein Verständnis des Werkes in unserer jeweiligen Praxis entwickeln und haben uns in unterschiedlichen Settings dem Zuhören
ausgesetzt. Das 5-stündige String Quartet II wurde ein Container, ein Rahmen für unsere Aktivitäten, manchmal im Zentrum der Aufmerksamkeit,
manchmal eher tangential. Immer jedoch im Verhältnis zu dieser Anwesenheit, der man sich trotz der leisen Töne nur schwer entziehen kann.
Als Infektion ist sie Teil unserer Praxis geworden und hat unsere Aufmerksamkeit für leise, wesentliche Unauffälligkeiten geschärft.
Die Arbeiten von Philip Guston und Mark Rothko und gemeinsames Lesen von Texten waren Teil dieser reflexiven Aktivitäten.

Nach einem Work-in-progress-Showing im Zuge einer künstlerisch-theoretischen Forschung unter dem Titel „On Listening“ am Tanzquartier Wien
stellte sich erneut die Frage, wie dieses entwickelte Verständnis weiter formuliert werden kann.
Was bedeuten die ästhetischen Postultate der Moderne in der heutigen Zeit? Wie sind sie zu aktualisieren?

Der Begriff Noise als Phänomen, dem man sich nicht entziehen kann, welches die Erinnerung zersetzt und deren Prozess eine Entropie bewirkt,
schien ein passendes Model für unser erweiterte Auseinandersetzung mit String Quartet II. Noise überwindet konventionelle musikalische Parameter.
Seine naturgemässe Erscheinung läuft entlang einer Konfrontationslinie, einem Niemandsland. Sie verläuft zwischen einem „Inneren“ und einem „Äusseren“,
zwischen Imagination und Gesetz und bewirkt eine Überlappung, Durchdringung und einen gegenseitigen Austausch. Dieser Austausch ist
notwendigerweise ein traumatischer, in dem die akustische Vermischung konventioneller Musikalität den Puls und Klang immer noch gerade erwischt,
bevor sie in der Stille versinken.

Um dieses „Niemandsland“ zu durchwandern, wurde gemeinsam eine Karte entwickelt und diese in den Raum und auf die unterschiedlichen Medien
(Bewegung und Bild) übertragen. Begriffe wie Stille, Anwesenheit, Abwesenheit, Potentialität, Unschärfe, Unbekanntes wurden Teil einer eigenen Poetologie.
Sie wurden Bewegungsfelder und Handlungsanweisungen mit Namen wie „Celebration of an unspeakable home“, „Thinking Other“, „Danse Macabre“, „Blanchot Yoga“,
„Puzzled Figure“, oder „Alienation of Memory“, um hier nur einige zu nennen. IT IS NOT THE PICTURE entsteht in der Erkundung dieser Karte.

Maurice Blanchot, dessen Schriften den Prozess unauffällig wie ein guter Freund von Anfang an begleiteten, würde diese Landschaft vielleicht so bezeichnen:
„Aber wenn alles in der Nacht verschwunden ist, erscheint Alles-ist-verschwunden. Die andere Nacht.
Die andere Nacht ist diese Erscheinung: Alles-ist-verschwunden. Dies ist, was wir fühlen, wenn Träume den Schlaf ersetzen, wenn die Toten in die Tiefe
der Nacht eingehen, wenn die Tiefe der Nacht in jenen auftaucht, die verschwunden sind. Erscheinungen, Phantome und Träume sind Illusionen für diese leere Nacht.“

(Sabina Holzer, Dezember 2010
Für meine Brüder)