Die Unbändigen – David Ender

David Ender
(scroll down for german version)

 

Elucidation

“Surely” – I thought, pretending not to be on fairly excellent terms with the intricacies of the German language, and as always searching for the least obvious explanation (a parlour trick I may have learned from copious study of crime mysteries and spy stories) – “surely the word ‘Unbändige’ must derive from the Brazilian umbanda, for I saw marinheiros, boiadeiros, and an entire kindie of crianças who had chosen the theatre as their playground because the government (‘Which one?’ you may ask, but as usual the answer is left to you) had abolished wilderness and decreed that subversive actions must also physically take place underground – is that a wise decision, government? –, so that the Man With The Golden Nose and the Dappled Red Animal banded together with the Chinese Capoeira Chick (this one without doubt one way or the other in cahoots with odontophorus capueira, the Spot-winged Wood Quail, and a bird of many quills) and the ubiquitous Gentleman, a shady (to say the least) and most mysterious character who always does business out of his dressing gown, as if levee took place every hour of the day; and night, of course.”

Up to this point, my meticulous reasoning seemed impeccable to me, leaving out no single circumstance that could be taken into consideration with impunity, and also some of the others which even the most eminent scientists are wont to classify amongst the ephemera, paraphernalia, and marginalia of serious research, which is a kinder way (or simply a more learned one) of saying that to them they are just so much gobbledegook.

“But what” – I further exacted my powers of perspicacy, perseverantly pondering some seemingly lesser points appertaining to performance – “what, then, about the sudden portentous precipitation of ping-pong balls clearly representing Mexican jumping beans and thus obviously (a synonym for superficially, mind you!) geographically aberrant, culturally misleading, and generally out of place? Are they the derelict result of disbanded deliberations, like the dunking donut Deleuze once shared with Duchamp in Dakar? Or the Chinese Capoeira Chick’s small change for clandestine dealings with a charitable crime association’s dumbfounded chairwomen?” – I halted, and – “Elucidation!” I cried.

Once having arrived at this juncture, it was fairly easy. I managed (pray don’t ask how) to retrace the jumping beans’ origin to Brazil after all. (But if you must know …) Before, I had merely overlooked the fact that one of the nine ocelot species (leopardus pardalis pardalis) lives in the Amazon Rainforest; with the help of a common hook and line, this fact could be attached to the Dappled Red Animal without further ado.

“And since” – I continued my acerbic assessment, aligning the known with the unknown, and genuine guesswork with a gaggle of grounded speculation – “since the colour red hints at the red panda (ailurus fulgens, or shining cat, as you certainly are aware), this inevitably not only leads us from Brazil to China, where birds of a feather meet at Tong funerals (e.g, at Ylläksen Ykkös Caravan in Äkäslompolo) even if one of them is a mammal, but also indicates a bright and clear reference to the Gentleman, who is subliminally surmised to have played a part in the notorious Opium Wars, where he posed as a Tatar hawker ostentatiously trading in supple silk and glittering gems, but secretly smuggling morin khuurs into, and huqins out of the country, though to what end remains obscure. However, we must not forget the MWTGN, who at the same time sat in front of a bistro (albeit in all probability this appellation did not even exist at that same time – but who cares?) in Paris from where, dunking his special order donuts from Dendermonde into a bowl of kopi luwak brewed in strict observance of his elaborate instructions, he directed a variety of businesses in Oostende, Koksijde and Knokke-Heist, many of which – small wonder – had to do with dazzling diamonds, resplendent rubies, shimmering sapphires and several such abominable alliterations, while others – quite great wonder – concerned themselves with musical instruments predominantly of the stringed persuasion, thus closing the circle.” – Or rather, the spiral vortex of vibrant yet vagrant and volatile verbosity that now threatened to devour my relentless musings with a hearty appetite.

But I really must say that the world needs more melodicas with all-black keys.

Around Vienna, 2012-12-04

*

Eluzidation

“Gewiss” – dachte ich, und gab dabei vor, nicht auf recht ausgezeichnetem Fuße mit den Fährlichkeiten der deutschen Sprache zu stehen, und wie üblich nach der am wenigsten offensichtlichen Erklärung suchend (ein Salonkunststück, das ich bei der umfassenden Befassung mit Kriminalromanen und Spionage-Geschichten aufgeschnappt haben mochte) – “gewiss stammt das Wort ‚Unbändige’ von der brasilianischen umbanda, denn ich sah marinheiros, boiadeiros, und eine ganze Kinderkrippe crianças, die das Theater zu ihrer Spielwiese erkoren hatten, weil die Regierung (‚Welche?’ wirst du vielleicht fragen, aber wie üblich bleibt die Antwort dir überlassen) die Wildnis abgeschafft und verordnet hatte, dass subversive Handlungen auch physisch unterirdisch stattfinden müssen – war das ein weiser Entschluß, Regierung? –, so dass der Mann With The Golden Nose und das Gescheckte Rote Tier sich mit der Chinesischen Capoeira-Schickse zusammentaten (die ohne Zweifel auf die eine oder andere Weise mit odontophorus capueira, der Capueirawachtel, verbandelt und ein vielfiedriger Vogel war) sowie mit dem allgegenwärtigen Gentleman, einem zwielichtigen (milde ausgedrückt) und höchst mysteriösen Charakter, der all seine Geschäfte aus dem Morgenmantel heraus unternimmt, als fände Levée jede Stunde des Tages statt; und der Nacht, natürlich.“

Bis zu diesem Punkt schien mir mein peinlich genaues Räsonieren ohne Makel zu sein und keinen einzigen Umstand zu übersehen, der schadlos in Betracht gezogen werden konnte, sowie auch einige der anderen, welche sogar die hervorstechendsten Wissenschaftler gemeinhin unter den Ephemera, Paraphernalien und Marginalien ernsthafter Forschung klassifizieren, was eine nette (oder einfach eine gelehrtere) Art ist, zu sagen, dass sie ihnen nicht mehr sagen als Kauderwelsch.

„Aber was“ – so strengte ich weiter meine Kräfte der Klarsicht an und verbiss mich in die Überlegung einiger scheinbar geringerer der Performance zugehörigen Punkte – „was ist dann mit dem plötzlichen bedeutungsschweren Niederschlag von Pinpongbällen, die eindeutig mexikanische Springbohnen darstellen und daher offensichtlich (ein Synonym für oberflächlich, wie jeder weiß!) geographisch abweichend, kulturell irreführend, und generell fehl am Platz sind? Sind sie das heruntergekommene Ergebnis abgehalfterter Denkvorgänge, wie der Tunk-Krapfen, den Deleuze einst in Dakar mit Duchamp teilte? Oder der Chinesischen Capoeira-Schickse Kleingeld für heimliche Geschäfte mit den sprachlosen Vorsitzendinnen eines karitativen Gangsterklubs?“ – Ich hielt inne, und – „Eluzidation!“ rief ich aus.

Endlich an dieser Kreuzung angelangt, war es ziemlich einfach. Es gelang mir (frag mich bitte nicht, wie), den Ursprung der Springbohnen doch noch nach Brasilien zurück zu verfolgen. (Wenn du es aber wissen musst …) Davor hatte ich lediglich die Tatsache übersehen, dass eine der neuen Spezies von Ozelot (leopardus pardalis pardalis) im Regenwald des Amazonas lebt; mit der Hilfe gewöhnlicher Schnur und eines Hakens konnte dieses Faktum ohne weitere Umstände dem Gescheckten Roten Tier angehängt werden.

„Und da“ – führte ich meine herbe Einschätzung fort, indem ich das Bekannte mit dem Unbekannten, und wahres Raten mit einem Geflatter fundierter Spekulation in die Reihe brachte – „da die Farbe Rot auf den Roten Panda (ailurus fulgens, oder leuchtende Katze, wie du sicher weißt) hinweist, führt uns dies nicht nur unausweichlich von Brasilien nach China, who gleichgesinnte Vögel bei Tong-Begräbnissen zusammentreffen (z.B. bei Ylläksen Ykkös Caravan in Äkäslompolo), auch wenn einer von ihnen ein Säugetier ist, sondern zeigt auch einen klaren und deutlichen Hinweis auf den Gentleman an, von dem unbewusst angenommen wird, er habe eine Rolle in den berüchtigten Opiumkriegen gespielt, indem er als tatarischer Wanderhändler auftrat, der nach außen hin mit schimmernder Seide und glitzerndem Geschmeide handelte, unter der Hand jedoch morin khuurs in, und huqins aus dem Land schmuggelte, wobei unklar bleibt, zu welchem Ende. Wie auch immer – wir dürfen den MWTGN nicht vergessen, der zur gleichen Zeit vor einem Bistro (wiewohl diese Bezeichnung zu dieser gleichen Zeit aller Wahrscheinlichkeit nach noch gar nicht existierte – aber wen stört das schon?) in Paris saß, von wo aus er, die eigens aus Dendermonde bestellten Krapfen in eine Schale kopi luwak tunkte, der unter genauester Beachtung seiner ausführlichen Instruktionen gebraut wurde, verschiedenste Geschäftsunternehmungen in Oostende, Koksijde und Knokke-Heist leitete, von welchen viele – kein großes Wunder – mit durchlauchten Diamanten, rubinroten Rubinen, schimmernden Saphiren und dergleichen abscheulichen Alliterationen zu tun hatten, während andere – recht großes Wunder – sich mit Musikinstrumenten befassten, die vornehmlich solchen mit Saiten zuzurechnen waren, solcherart den Kreis schließend.“ – Oder besser, den spiralförmigen Mahlstrom wuchernden wie auch vazierenden und volatilen Wortreichtums, der nun drohte, meine unnachgiebigen Grübeleien mit herzhaftem Appetit zu verschlingen.

Aber ich muss wirklich sagen, dass die Welt mehr Melodikas mit ausschließlich schwarzen Tasten braucht.

Um Wien, 2012-12-04