Concept: Which Dances

Performance


Projekt- & künstlerische Leitung, Tanz: Sabina Holzer

Raum, künstlerische Begleitung, Video: Jack Hauser
 Textliche & inhaltliche Begleitung: Elisabeth Schäfer Choreografische Begleitung: Brigitte Wilfing

Sound: Angelica Castello


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which dances
ist eine Performance von und mit Sabina Holzer, in Zusammenarbeit mit dem oben genannten Team, und beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Körper und Umwelt. Dabei bezieht sich which dances auf die Figur der Medusa als Inspiration für den Tanz mit Blick auf die industrielle Gewinnung und Nutzung von Aluminium. 


which dances ist profane Anrufung und Apotropäum. Die Performance eröffnet ein poetisches, radikal-materialistisches Feld, das sich dem möglichen Zusammenwirken von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren verschreibt.

which dances entsteht aus dem ständigen Dialog zwischen Materialien (Körper, Schrift, Aluminium) und literarischen / dokumentarischen Quellen, die sich aus Text, Ton- und Bildmedien speisen. Der ästhetische Einsatz von Aluminium beschäftigt sich zugleich mit dessen industriellem Abbau, seiner Weiterverarbeitung und Verwendung. Die alltägliche Monstrosität des globalen Turbokapitalismus wird in dieser Performance mit der Figuration der Medusa zum Tanzen gebracht.

Aluminium ist der nicht-menschliche Akteur, mit dem wir in Kontakt treten, dessen Umfeld und monströsen Umgang wir befragen und von Medusa zum Tanz auffordern lassen.

In Zusammenarbeit mit Jack Hauser, Elisabeth Schäfer, Brigitte Wilfing und Angelica Castello, die als Zeuginnen und Übersetzerinnen auch während der Performance an- wesend sind, tanzt which dances mit material-semiotischen Bezügen einer Land- schaft aus recyceltem und gebrauchten Aluminium.


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Materialbezüge

Medusa. In dieser Figur stecken die mythischen Namen altgriechischer erdgebundener, unterirdischer Kräfte. Für die einen ist sie Gorgone, Hüterin der Erde, so hässlich, dass ihr Anblick Männer zu Stein erstarren lässt; für die anderen ein mächtiges, matriar- chales Sinnbild des in Libyen herrschenden Schlangen- und Pferdemythos. Etymolo- gisch setzt sich das Wort Medusa aus der griechischen Bezeichnung für „Das Walten- de; die Herrin; für etwas sorgen; an etwas denken; auf etwas bedacht sein“, oder auch „die Sinnende“ zusammen. Das Abbild des Kopfes der Medusa, so wird erzählt, wurde oft als Bannzauber genützt, um vor Unheil zu bewahren und zum Schutz vor bösen Kräften.

Aluminium ist das häufigste Metall der Erde. Der Abbau und die Produktionsbedingung von Aluminium verweisen direkt zu den Problemen unserer westlichen Konsumgesell- schaft: Die Herstellung ist extrem energieaufwendig und der bei der Erzeugung ent- stehende Rotschlamm ist hoch toxisch. Er vergiftet Boden und Wasser und beschädigt den Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Zudem ist die Produktion meist in Billiglohnländer ausgelagert. Die selbstverständliche, achtlose Art und Weise, wie wir mit Aluminium im Alltag umgehen (Werkstoff, Verpackungen, Emulsionsmittel, usw.) stehen in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Kostbarkeit und Gefährlichkeit dieses Werkstoffes.


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Arbeitsweise

which dances folgt der Prämisse, dass Tanzen eine andere Form des Denkens ist, in dem sensorische Aspekte der Wahrnehmung stimuliert werden. Wir gehen davon aus, dass sich unser Handeln in die Welt einschreibt und wir die Welt gleichzeitig mit unse- ren Lebensformen prägen. Diese von uns geprägte Welt als Lebensraum schreibt sich wiederum erneut ein und in/formiert uns.

In diesem Sinne arbeiten wir mit einem erweiterten, choreografischen Schriftbegriff. Schreiben versteht sich hier als Handlungsraum und die Tätigkeit des Lesens korre- spondiert in erster Instanz mit einem genauen Zuhören, einem sinnlichen Wirken las- sen, dem die kognitive, logische, grammatische Übersetzung nachgereiht ist.

Während des Prozesses verarbeiten wir unterschiedliche Textquellen, mythische, erzählerische, dokumentarische und wissenschaftliche Fragmente zur Figur der Medu- sa und zum Aluminium.

In der choreographischen Übersetzung werden diese Texturen auf Stimmungen und Aussagen untersucht und im engen Wechselspiel zwischen Tanzen und Schreiben zu Handlungsanweisungen entwickelt. So entstehen unterschiedliche Bewegungsqualitä- ten und Körperbilder, die mit einem im Fluss gehaltenen gestischen Material zu einem Tanz montiert werden.

Der Tanz verwandelt den Körper, ohne in psychologisch aufgeladene Charaktere zu schlüpfen. Er wird spielerisch zur Vielgestalt und erscheint in seinen elementaren, pflanzlichen, tierischen und menschlichen Beziehungen. Der Tanz affiziert auch die Sprache und lässt Klang- und Sprachspiele entstehen, die sich mit konkreten Aussa- gen bzw. Sprechakten verbinden.


Notat: E.Schäfer


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Formgebung

which dances ist eine Performance in einer wuchernd glänzenden Aluminiumland- schaft, in der das Publikum Teil des Raumes wird. Der Tanz bewegt sich durch die Landschaft und die Besucher*innen. Die Landschaft ist getaucht in ein Soundenviron- ment, das aus Field-recordings und Soundfragmenten aus unterschiedlichen Aufnah- medokumenten geschichtet ist. Das Soundenvironment ist eine Spur, die auf Arbeits- felder (Aluminiumindustrie und den Probenprozess) sowie filmische Dokumente ver- weist, aktualisiert und so Raum, Tanz und Zuschauer*innen atmosphärisch affiziert.

Erzählungen und Dokumente des monströsen Handels mit dem Metall aus der Erde durchdringen den Tanz, der seinerseits von der als nicht zu kategorisierendes, lachen- des Monster bezeichneten Medusa inspiriert ist.


Die Praxis der Zeugenschaft und Übersetzung, die während des Probenprozesses prak- tiziert wird, ist zugleich Teil der Performance. So wird Elisabeth Schäfer schreibend, Jack Hauser filmend, Brigitte Wilfing lesend, Angelica Castello musizierend Teil der Landschaft sein. Auf diese Weise sind, neben dem Materialbezug, die unterschiedli- chen Wahrnehmungen als Medien anwesend.

Sie bezeugen Zeitlichkeit und erzeugen eine materielle Spur einer poetischen Spekula- tion einer möglichen Zukunft, aus der eine Publikation als Beilage zur Performance entsteht. Der Tanz hat, als Ereignis, die Kraft bestehende Kategorien zu lösen und neu zu mischen.

Photos: Jack Hauser during the artist in residence @ JoT12

 

CVs

Sabina Holzer, Performerin und Autorin, arbeitet vorwiegend in trans-media- len Kollaborationen. Seit 2007 publiziert sie Texte zu und für zeitgenössischen Tanz und Performance in unterschiedlichen Medien. Sie arbeitet als Performerin in unterschiedlichen internationalen Projekten, u.a. mit V.Mantero, Ph.Gehma- cher, M.Bitterli, J.Peeters, Katrin Hornek, Raul Maia und Brigitte Wilfing, ua. Sie war 2011 – 2019 „associated artist“ bei Im_flieger.net. Sabina ist Bewegungs- forscherin und Yogalehrerin an verschiedenen Institutionen wie TQW, ImPuls- Tanz, Im_flieger u.a. und zertifizierte SIB® (systemische und integrative Be- wegungslehre) Pädagogin sowie in unterschiedlichen Mixed Abilities Projekten tätig. Seit 2005 arbeitet sie in enger künstlerischer Verbindung mit dem Künst- ler Jack Hauser. Performances und Interventionen im Tanzquartier Wien; Len- tos Museum of Modern Art; Linz; WUK; Essl Museum; Öffentlicher Raum, Hid- den Museum; Documenta 13 and Die Angewandte. www.cattravelsnotalone.at

 

Jack Hauser, Ex.Filmemacher mit Super-8-Filmsammlung Banditengesänge (1986 – 2009) Seit 1989 schreibt Jack Hauser gemeinsam mit David Ender ex- perimentelle Abenteuerromane als Liebesromane für Alle und Keinen. 1994 die Gründung der Performancebande Lux Flux mit Inge Kaindlstorfer & David En- der. 1996 – 2000 gemeinsame Improvisations_Serien als Lux Flux & Saira Blanche Theater. 2003 beginnt die Zusammenarbeit mit Milli Bitterli. 2014 / 15 entwickelt er gemeinsam mit Lisa Hinterreithner die Performancereihe The Call of Things. Seit 2005 zahlreiche gemeinsame Werke mit Sabina Holzer.(www.- cattravelsnotalone.at) Weiters betreut und gestaltet er mit der Unterstützung von Freundinnen, Gästen & Kolleginnen seit 1999 das fantômastische Vehikel „Wohnung Miryam van Doren“ mit folgenden Fortsetzungen: Eine als Arbeit ge- tarnte Suche (2004), Secret Service (2005 -), Carte de tendre (2004 – 2013), Possession & Poetry (2006 / 07), M1+1 (2008 -), Zeitbrunnen / d(13) (2012), OPEN (2014), Go Mata Go (2015), Stoffwechsel Im_flieger (2016 – ) The Glo- rious Weirdness of Art & Cosmic:LIVE (2016), Injection (2016), Prototypical Flux Safe House Matt Kindt Vienna (2017), Poesie: Zusammen Raufen (2017 -), Ablagerung im Machfeld aka Chromatografie (2018), Versteck (2018 -2049)

Elisabeth Schäfer ist queer-feministische Philosoph*in, künstlerische For- scher*in und seit 2010 Externe Lehrbeauftragte* am Institut für Philosophie der Universität Wien. Zudem unterrichtet sie auch international u.a. an den Universitäten Frankfurt, der UdK Berlin, der Université Paris VIII in Vincennes. Ihre Forschungsschwerpunkte an der Schnittstelle von Philosophie und Kunst umfassen: Dekonstruktion, Queer-Feministische Philosophie, Écriture feminine, Körper und Materialitäten, Performance Philosophy. Von 2014-2017 hatte sie eine Postdoc-Position im Rahmen des FWF PEEK-Forschungsprojektes “Artist Philosophers. Philosophy AS Arts-Based research” an der Universität für Angewandte Kunst Wien inne; Projektleiter: Arno Böhler. Derzeit forscht sie zu: „Writing Matters: Trans-Sensible Exposures. Writing as Arts-based Research“ und “Queer-feminist Aesthetics of the Risk”. Elisabeth Schäfer hat gemeinsam mit Esther Hutfless und Gertrude Postl Hélène Cixous Essay „Das Lachen der Medusa. Zusammen mit aktuellen Beitragen“ herausgegeben (Passagen Verlag Wien 2013, zweite Auflage 2017). 2017 hat sie im queeren Wiener Zaglossus Verlag gemeinsam mit Esther Hutfless den Essay „Gespräch mit dem Esel. Blind schreiben“ von Hélène Cixous herausgegeben, versehen mit zwei Sup- plementen.