FICTION CONCRÈTE

Sabina Holzer ’11
für „Atlas der Wohnung Miryam van Doren“
von Jack Hauser

 

Für Jack Hauser

„In meinen Gegenden sagt der gemeine Mann, dass der Taschenspieler über ein Wissen verfügt (wenn man weiss, wie es geht, kann man es), während der Seiltänzer eine Kunst ausübt. Auf einem Seil zu tanzen bedeutet, in jedem Moment das Gleichgewicht zu bewahren, indem man es bei jedem Schritt durch neue Korrekturen wiederherstellt; es bedeutet, an einem Verhältnis festzuhalten, das niemals erworben worden ist und das durch eine unaufhörliche Erfindung ständig wiederhergestellt wird, so dass es den Anschein hat, als ob man es bewahren würde.
Dergestalt wird die Kunst des Machens in bewundernswerter Weise definiert, und zwar insofern, als der Praktiker selber tatsächlich ein Bestandteil des Gleichgewichts ist, das er verändert, ohne es zu stören. Durch diese Fähigkeit, ausgehend von einem vorgegeben Gleichgewicht einen neuen Zustand zu schaffen und trotz der Veränderung der Bestandteile an einem formalen Zusammenhang festzuhalten, nähert er sich sehr stark der künsterlischen Produktion an. Nämlich der unaufhörlichen Erfindungskraft des Geschmacks in der praktischen Erfahrung.“ [„Kunst des Handelns“, Michel de Certeau]


TRAUM

Miss Coochie träumt von einer Reise. Gemeinsam mit einem Mann. Sein Name ist Paul Sernine, seine Hülle ist oftmals ein weisser Anzug oder ein blauer Arbeiteroverall, seine Abenteuer sind fiktionautische Abenteuer. Diesmal – und das passiert des Öfteren – ist es ein gemeinsames Abenteuer. Paul Sernine und Miss Coochie. Sie spazieren durch die Stadt.

Sie spazieren durch die Stadt. Manchmal hüllen sie sich in Schwarz und steigen auf die Dächer der Häuser in eine andere Zeit, eine andere Ordnung. Auch diesmal ruhen sie sich dort ein wenig aus. Ihre Körper sind nicht mehr von den Strassen umschlungen, die sie nach anonymen Gesetzen drehen und wenden. Dort oben verwandeln sie die Welt, von der man behext und besessen wird, in ein Relief aus Buchstaben, Dingen und Intensitäten. Sie halten einen Augenblick inne, bevor sie sich wieder in die Tiefen der Häuserschluchten stürzen. Und so gerät das Städtebild wieder in Bewegung. Eine Stadt aus Leidenschaft, in der sie unauffällig durch scheinbare Alltäglichkeiten, Räume und Schichten forschen. Für sie ist die Welt, die sie umgibt, völlig körperlich und materiell. Durch ihre Bewegungen und Erkundungen entstehen andere Erinnerungen, und eine Verlagerung findet statt.

Hier und dort bauen sie ihr Lager auf. Sie legen sich hin und her. Sie sitzen so oder so. Aufrecht schwingen sie die Beine, um vorwärts zu kommen, die Arme pendeln. Sie drehen sich um, stehen nebeneinander. „It’s a strange world,“ sagt Paul Sernine. „Let’s keep it that way,“ sagt Miss Coochie. Ihr Blick tastet die Räume ab, die sich in einer oszillierenden Unschärfe preisgeben. Licht und Farben. Spiegelungen der Nacht und des Meeres. Sie bilden neue Linien, erlösen sich in anderen Farben, werden andere Figuren, gestalten Licht und
Schatten. Das ist eigentlich nicht auszuhalten. Miss Coochie sagt: „Es bringt mich um. Ich sterbe, weil ich diese Farben sehe.“ Sie meint dabei nicht: die-Möglichkeit-des-Sterbens-besteht-immer-ob-man-will-oder-nicht. Sie ist kopflos glücklich. Auch Paul ist glücklich. Sie küssen sich. Sie wollen einander lieben. Miss Coochie zieht ihre Bluse aus und wünscht sich, dass Paul ihre Brüste berührt. Plötzlich hat Paul Brüste und ist eine Frau. Miss Coochie sitzt zwischen ihren Beinen. Sie ist riesig und sie schminkt sich mit einem Lippenstift ihre Klitoris rosa. Es passt wunderschön zu ihrem rosa BH . Ihr Geschlecht ist rasiert. Miss Coochie hockt zwischen diesen Beinen und sieht vor ihrer Nase süsse rosa Dinge. Eine Tür auf Rädern, zum Beispiel, eher cremefarben. An der Tür hängen verschiedene Dokumente von anderen Reisen und Abenteuern. Ein Mann mit einer Gitarre sitzt vor der Tür und singt Lieder. Paul schiebt die Tür von hier nach dort. Der Ort dahinter ist immer ein Versprechen. Es ist die Tür der Wohnung Miryam van Doren.


MIRYAM VAN DOREN

Es gibt die Wohnung Miryam van Doren und es gibt Miryam van Doren.
Miryam van Doren ist nicht einfach dem Buch „Miryam van Doren“ von Jack Hauser und David Ender entnommen. Sie ist nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, einfach aus dem Buch herausgetreten. Sie, die sich gerne besuchen lässt, hat Jack Hauser einmal besucht und ist geblieben. Was jetzt einfacher klingt, als es jemals sein könnte.

Es war 1994, darüber gibt es keinen Zweifel. Seitdem aber gibt es Gerüchte, Geschichten, Zufälligkeiten, Spekulationen und geheime Botschaften. Wer ist Miryam van Doren?

Miryam van Doren ist schon lange unterwegs. Sie ist das Gemurmel der Gesellschaft. Zu allen Zeiten ist sie den Texten voraus. Sie wartet nicht einmal auf sie. Sie ist. Sie ist, was man oder frau aus ihr macht. Sicher ist, dass Jack Hauser ihr 1999 sein Appartement überlassen hat. Seitdem materialisieren sich dort Erinnerungen und Gedanken als Bilder, Filme und Objekte. Manchmal wird behauptet, diese Bücher, Schallplatten, Bilder und Photographien, aus denen dann wieder Geschichten und Lieder entstehen, wären ihre Sammlung. Man lernt, so wird erzählt, Miryam van Doren über ihre Umgebung, über ihre Notizen und Leidenschaften kennen. Sie ist die wundersame Begleiterin von Grenzgängern, Aussenseitern und Heldinnen. Die Arrangements, die Jack Hauser auf vielfältige Art und Weise formuliert, sind Einladungen, durch die sie in Erscheinung tritt. Freunde und Fremde sind willkommen und lassen ihre Blicke durch die Wohnung streifen. Nicht selten werden sie Teil dieser Versammlungen. Ihre Blicke sind die Nadel, die über die Rillen einer Schallplatte gleitet. So entstehen ihre Lieder.

Wer immer will, kann mit Miryam van Doren in Kontakt treten, so heisst es, denn jeder hat Erinnerungen, die sich so aktualisieren und in die Zukunft weisen oder sich endgültig verabschieden. An diesem Ort, der Wohnung Miryam van Doren, geht auf eigenartige Weise die Angst verloren. Und das, obwohl die Wohnung voll ist mit Spuren und Kopien von unheimlichen Figuren und mysteriösen Gestalten,
die schon manchen unruhigen Traum ausgelöst haben. Man verliert sich furchtlos in Begegnungen mit anderen und findet sich immer in irgendeiner Geschichte wieder.

Es ist ein Angebot von Pulp Fiction, durch das Jack Hauser, als gemeinsames Feld der Erinnerung, zahlreiche Bezüge entstehen lässt. Diese Wucherungen folgen nicht dem Gesetz der Logik oder Sprachfindung. Vielmehr bestreiten sie das Privileg der wissenschaftlichen Schrift, die Produktion zu organisieren, wie
Michel de Certeau es in der Kunst des Handelns formuliert. Sie folgen einer Logik von Linien, Farben, Ähnlichkeiten und performativen Handlungen. Als Besucherin steigt man in die Zirkulation dieser Geschichten und Bilder, denen man seine eigene Variation hinzufügen kann. Siege, Verluste, Kämpfe, Prüfungen, überwindungen und Wunder. Man erfährt sich neu – ohne die Anstrengung, sich selbst neu erfinden zu müssen.

Und so erlebt man ein Stück einer Zukunft. Mit dieser Zukunft tritt man dann wieder in sein Leben zurück und geht mit seinen eigenen zwei Beinen seine Wege durch die Stadt; und etwas hat sich verändert. Die Wohnung ist eine Sammlung, eine Camera Obscura, ein Schnappschuss, den man erst im Nachhinein und mit der Zeit versteht. Es gibt Situationen und Figuren, denen man immer wieder begegnet: das Team von Planetary ist in unterschiedlichen Variationen anwesend. Irma Vep wurde des Öfteren gesehen, Miss Coochie, Paul Sernine. Anton der Holzfäller, als Living Music Box, und natürlich der Küchenchef, der kein anderer ist, als – Fantômas. Ihre Tätigkeiten, Handlungen und Reflexionen sind auch in anderen, alltäglichen Situationen anzutreffen. Die Wohnung ist ein Treffpunkt, in der Menschen, wie eine Band(e), immer wieder zusammenkommen, um gemeinsam etwas zu machen (Musik zum Beispiel). Eine Bande, erzählt Jack Hauser und bezieht sich auf Gilles Deleuze, die sich verhält wie Kinder, die gemeinsam ein Schiff bauen. Sie bauen ein Schiff und setzen es in einen Bach. Das Schiff treibt weiter, und in der nächsten Biegung des Wasserlaufs nehmen andere dieses Schiff auf und bauen es weiter. (Um keine falschen Vorstellungen entstehen zu lassen, soll erwähnt sein, dass das Wort „Kinder“ insofern ein wichtiges Wort ist, weil Kinder sich nicht an der Funktionalität der Welt beteiligen müssen.) Diese Schiffe, um bei der Metapher zu bleiben, sind keine Produkte. Sie transportieren keine Ware. Sie sind Medium und Mittel, materialsierte Gesten, niemals nur Zeichen. Auch diese Treffen folgen den Ordnungen von Farben, Linien und Kopien. Sie spielen mit Fiktionen, wie Träume mit Erinnerungen, in dem sie sie verändern und aktuelle Bezüge herstellen. Sie lassen eine eigene Zeit entstehen, die fremd und vertraut zugleich ist.
Marcel Proust hat sich in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ mit dem Schreiben und der Erinnerung beschäftigt. Man könnte sagen, Jack Hauser beschäftigt sich mit dem Sammeln und der Erinnerung. Aus alltäglichen Dingen der direkten städtischen Umgebung erschafft er eine Sammlung, in der die Medialität der verschiedenen Materialien in Erscheinung tritt. Aus Schallplatten, Handlungsanweisungen, Schundheftln, Comix, Figuren, Materialien, Dias und Filmen ist eine Skulptur entstanden. Diese Skulptur ist begehbar. Sie ist die Wohnung Miryam van Doren.


ONE HOUR – C’EST VRAI. REALLY

Ein Beispiel: am 26. Juli 2010 von 15.45 bis 16.45, exakt zwanzig Jahre später als der amerikanische Photograph und Filmemacher Robert Frank seinen Film „One hour – c’est vrai“ gedreht hat, öffnet sich die Tür der Wohnung Miryam van Doren einer fortlaufenden Wandlung und Übersetzung: Dekonstruktionen, Verdoppelungen von Details, Grenzüberschreitungen des Erzählten und der Erzähler. Mise en abyme. Ein labyrinthisches Gedächtnis entfaltet sich als ein Gewebe von Zitaten, Gesten und Handlungen. Ein Spiel. Hommage an „One hour – c’est vrai“ von Robert Frank.

Vor exakt 20 Jahren nämlich, am 26. Juli 1990, startete Robert Frank um 15.45 „One hour – c’est vrai“ in seinem Atelier und ging mit der Kamera eine Stunde durch die Lower East Side von New York, traf Bekannte und Freunde auf diesem Weg und nahm ihre Gespräche auf. Man weiss bei diesem Film bis heute nicht, was ausgemacht und gesetzt ist, und was zufällig geschah. Es gibt ein Buch mit den Dialogen des Films, und so ist anzunehmen, dass vieles von dem, was in dem Film spontan wirkt, tatsächlich vorbereitet war. Der Film hat keinen einzigen Schnitt.

Am 26. Juli 2010 also wird das nachbarschaftliche Feld von Robert Frank in die Wohnung Miryam van Doren verlegt, und Jack Hauser und Sabina Holzer starten eine einstündige Plansequenz in den drei Zimmern der Wohnung für den Film „C’est vrai. Really“. Die Küche, das (Wohn)Zimmer und die Bibliothek – auch Labyrinth genannt – der Wohnung Miryam van Doren. Die Begegnungen der Freunde in Robert Franks Film werden zu Begegnungen der Freunde Miryam van Dorens: Paul Sernine, Miss Coochie, Irma Vep, das Team von Planetary, der Anzug, eine Agentin des Secret Service, Modesty Blaise, der Soundtrack des Films „The Divine Horseman“ von Maja Deren, die Pistole von Bladerunner und der Plattenspieler, um hier einige zu nennen. Das Codewort ist: One hour, one take. Und so beginnt „C’est vrai. Really“, eine fiktionautische Intervention als Filmproduktion, Konzeption: Jack Hauser.


DER FILM

Startsequenz: Zu sehen ist eine Uhr mit der Zeitangabe 15.45, dann das Buch „One hour – c’est vrai“ von Robert Frank. Die erste Seite, der erste Dialog wird gelesen. Eine zusätzliche Zeitmaschine wird eingeschaltet: das Video des einstündigen Films „Eine als Arbeit getarnte Suche“ aus 2004 von Jack Hauser. Dort, in diesem Zeitfenster, trommelt ein Mann mit Drumsticks auf eine Schreibtischplatte. Hier, in der Wohnung, macht die Kamera einen Schwenk, und Paul Sernine im weissen Anzug ist zu sehen. Er geht in die Küche der Wohnung Miryam van Doren und nimmt ein Paar Drumsticks von der Küchenwand. Er geht zurück ins Zimmer, setzt sich vor den Monitor und schaut sich den Film an. Der Mann im Film, Simon Wachsmuth als „the Drummer“, trommelt weiter auf seinen Schenkeln. Er macht eine kurze gestische Sequenz, verbeugt sich und beginnt mit einem Drumstick eine kreisende Bewegung auf einer weissen Wand auszuführen. Der Drumstick ist die Nadel, die die Rille einer imaginativen Schallplatte entlangfährt. Paul Sernine zieht die Linie mit seinem Drumstick auf der Monitorscheibe nach. Danach legt er sich auf das Bett, Arme und Beine angewinkelt, die Augen geschlossen. Die Kamera bewegt sich in das hintere Zimmer, das Labyrinth der Wohnung, und sucht dort auf einem Schreibtisch einige Fotos aus. Eines der Fotos zeigt Paul Sernine in der selben Position wie 2008 in Coney Island, auf dem Boden, im Hintergrund ein Raketenmodell. Ein anderes Foto zeigt Miss Coochie an einer geöffneten Tür hängend, ein anderes wiederum eine aufblasbare,
gelb-blaue Batman-Imitation. Die Fotos werden mit in das andere Zimmer genommen. Das Foto von Paul Sernine wird auf das Bett gelegt, auf dem Paul Sernine liegt. Die anderen Fotos liegen auf einem Tisch. Die Kamera bewegt sich weiter. Neben dem Tisch, am Boden, unter einem grossen Spiegel, steht eine zwanzig Zentimeter grosse, aufblasbare, blau-gelbe Batmanfigur. Neben ihr liegt die Kleidung von Irma Vep. Die Kamera wird auf den Tisch gestellt. Standbild: Paul Sernine auf der Tigerdecke. Auf einmal kommt Miss Coochie ins Bild. Sie liest einen weiteren Dialog aus „One hour – c’est vrai“, zieht
ihre Schuhe und ihre Jacke an, geht in die Küche und öffnet die Wohnungstür. Sie klettert auf die geöffnete Tür und hängt sich bäuchlings auf die obere Kante.

Eine Stunde lang zirkulieren auf diese Art Gesten mit Bildern und Sound, werden zitiert, verdoppelt und überlagert. In ihrer Anwendung entstehen neue Zusammenhänge – komponierte und dokumentierte Mikroereignisse. Nach zwei Dritteln der Zeit läutet es an der Tür. Die Spannung steigt: Myriam van Imschoot kommt in den Film, und das Spiel aus Improvisationen und Ritualen bekommt ein anderes Momentum, macht einen Sprung mit dem Unerwarteten. Sie ist die andere Agentin. Aufmerksame Komplizenschaft zwischen Beteiligten. Übernahme, Annahme, Aufnahme. Insistierendes Ankommen. Nur in wenigen, flüchtigen Momenten Angekommensein – in der (Ver)Kleidung, in dem Text, in einem Soundtrack, in einem Miteinander.


ZWISCHENGEDANKEN

Jack Hauser bereitet seine fiktionautischen Interventionen und Situationen in der Form eines Koordinatensystems vor, das aus einem Materialpool von Filmen, Handlungen und Praktiken besteht. Es sind Spuren seines künstlerischen Schaffens, die immer wieder „neu“ zum Einsatz kommen und sich so rekontextualisieren. Gesten und Kleidung sind imaginative Dispositive, die als Cut-ups in Raum und Zeit geschnitten werden und durch ihre performative Anwendung neue Verbindungen entstehen lassen.

So werden Tätigkeiten zu Material. Durch die improvisatorische Anlage dieser Setzungen, die, wie bei John Cage, zwar oft eine zeitliche Klammer haben, in der aber nie festgelegt wird, wann etwas tatsächlich zum Einsatz kommt, entstehen spielerische Formate an der Schwelle von alltäglichen Zufälligkeiten und formalen Zusammenhängen, an denen alle Beteiligten in jedem Moment aktiv mitwirken. Diese Zusammenhänge folgen choreographischen Prinzipien. In den performativen Arbeiten sind es Positionen, Handlungssequenzen und Kleidungen, durch die sich Situationen transformieren und unerwartete Wendungen annehmen. In seinen bildnerischen Arbeiten werden diese Prinzipien durch die Weiterführung von Farben, Linien und
Formen sichtbar. In unauffälligen Provokationen von Zufälligkeiten und ihrer radikalen Annahme (und nicht einer spektakulären Blossstellung) realisiert Jack Hauser die Bereitschaft zur Verantwortung, ohne dass die herkömmlichen Kontrollmechanismen von Produktionssystemen zur Anwendung kommen müssen. Man könnte diese Praxis auch als eine erweiterte Praxis der Liebe und Partnerschaftlichkeit sehen, die als „Bande“ oder „band“ (soziales Konstrukt) und als „Agenten“ (autonome Handlungskompetenz) auf unterschiedliche Weise ein wesentliches Element seiner Arbeit formuliert. In dieser elastischen Konstruktion von Sozialem, Autonomem, Zufälligem und Wiederholtem eröffnen sich zudem Möglichkeiten von vielfältigen Bezügen zwischen Menschen und Materialien, die oftmals eine Komplexität entwickeln, die auf diese Weise nicht planbar wäre. Am Deutlichsten zu verstehen ist dieser Aspekt vielleicht über Jack Hausers fotografische Arbeiten, in denen der Schnappschuss eine wesentliche Rolle spielt, und seine Anwendung filmischer Plansequenzen, in denen das, was belichtet und eingefangen wird, immer grösser und mehr ist, als im Augenblick der Aufnahme zu erfassen ist. Diese „Randerscheinungen“ werden in weiterer Folge in die Komposition einbezogen und sind nicht selten jene Aspekte, die Verbindungen und Übergänge ermöglichen


ZURÜCK ZUM FILM

Der Film „C’est vrai. Really“ ist nicht nur eine Plansequenz – die Kamera wechselt auch immer zwischen Jack Hauser und Sabina Holzer. So ist dieses Spiel nicht eines für die Kamera, sondern mit ihr. Die Kamera ist Teil des Instrumentariums, das zur Anwendung kommt. Auch die (Ver)Kleidungen bezeichnet Jack Hauser gerne als Instrument, die einer Person eher einen anderen Ton verleiht, als dass sie dramatisch-theatrale Interpretation hervorrufen soll. Die Figur der Kleidung ist anwesend, egal ob sie von jemandem getragen wird oder gefaltet am Boden liegt. Sie ist die Potentialität des
Anderen, einer unbekannten, un- oder fremdbesetzten Wesenheit, die in einer Grosszügigkeit, die nur das Spiel kennt, immer willkommen geheissen wird.

Filme, Bilder, Figuren, Worte, Klänge kommen als Material zum Einsatz, präsentieren in kleinen Erzählungen ihre Geschichtlichkeit. Auch hier, in dieser für Jack Hauser so typischen Inszenierung des beweglichen Innehaltens, werden sie zu Verkörperungen des Begehrens, der Erinnerung, der Zeit selbst. Am Ende des Films lösen sich die beiden Frauen, eine in schwarz, die andere in blondem Beige, plötzlich aus einer leisen Zuneigung, einem Gespräch, vom Bett, als hätten sie die Vereinbarung eines Vorhabens getroffen, und streben in unterschiedliche Richtungen. Die eine ins Labyrinth, die andere in die Küche. Die Videokamera bewegt sich auf einer Linie zum Fenster. Dort, auf der Fensterscheibe, ist das ausgeschnittene Abbild einer blonden Frau in schwarzem Anzug, die eine Treppe hinunter geht. Jetzt ist die Treppe nicht mehr Teil des Abbildes. Ausschnitt einer Bewegung auf einem transparenten Hintergrund an der Grenze zu einem offenen Raum. One hour – one take. C’est vrai. Really.