C.

Input for workshop „feministic speculations and other bedfellows“, Postdam University.

C. Ein offener Kreis, zu dem ich einen einem schwarzen Punkt gesetzt habe. Eine Geometrie. Sie ist mir beinah en passant passiert und ich überlege noch immer wie ich sie nenne soll: Zufall, Fehler, Moveance, Differance. Wie auch immer. Ja gesagt. Zu diesem Ding. Dieser Hyroglyphe, diesem Buchstabe, der auch ohne Buch existiert. Diesen gebogenen Stab, diesen Zauberstab, der mich zu rätselhaften Verflechtungen und Verschränkungen führt – und mich immer wieder in die Schranken weist. C.weist natürlich-kultürlich für Cixous, Helene. Für Ecriture. C. für Children of the Compost und für Camille. Dieses C. Hat mich dann beruhigt. Kurve, konkav und konvex. Höhle und Bauch. Biegung, Bucht, Busen. Brust. Brustkorb. Um Atemzüge zu sammeln und Herzklopfen. Hier. Heute, jetzt in diese 4 eckigen Höhle in die ich das C gebracht hat. Das Calcium, essentieller Bestandteil von belebter Materie. Beteiligt am Aufbau von unseren Knochen, Zähnen, aber auch Blätter und Muscheln. C als kuscheln mit Muscheln oder, mit Jean Luc Nancy zu sprechen: weil alle Körper Teil dieser Zusammenkunft sind, dieses Aufbruchs der Körper in alle Körper, und in die materielle Freiheit. Materie als Freiheit – ist nicht die einer Geste und noch weniger die einer willentlichen Handlung, ohne zugleich jener zweier Nuancen von Glimmer, von Millionen unterschiedlichen Muschelschalen und der unbegrenzten Ausdehnung eines principium individuationis zu sein, das so beschaffen ist, dass die Individuen selbst sich unaufhörlich in-dividieren. Immer zu sich und zugleich mit sich selbst verschieden und niemals jedoch zu Substanzen vereinigt, ohne das die Substanz, bevor sie etwas – weder sich noch andere – stützt, dazu kommt, hier exponiert zu sein: der Welt. (Man muss es zugeben: die gesamte „Naturphilosophie“ muss überarbeitet werden, wenn die „Natur“ als Exposition der Körper gedacht werden soll.) (Das bedeutet Freiheit.)

Exposito: die Summer aller Umgebungseinflüsse, die auf ein Subjekt oder Objekt einwirken. Einem Einwirken ausgesetzt. Einer Setzung. Einer Einschreibung. Einer Berührung. Einem Vergessen. Einer Schrift. Das Erinnerung der Schrift übergeben. Einer Verbindung. Einer Bindung. Einer Zuwendung zu dem, was unleserlich ist. Einer Mischung. Einer Schrift der Kinästhesie, der Erfahrung eines Druckes, eines Triebes, eines Gleitens. Eines Rhythmus: einer Produktion, nicht eines Produkts. Einem Genuss, keiner Intelligibilität.

Körperschrift. Knochenschrift. Einer Schrift der Toten vielleicht, die nichts mit dem Diskurs über den Tod zu tun hat – und darum genau mit dem zu tun hat, das den Raum, den Körper, den Tod (Phantasie des abgeschafften Raum) nicht kennt, weil sie jeden Körper als einen Toten kennt, als diesen Toten, der uns das ausgedehnte seines Hier-ruht aufteilt. Nicht der Diskurs eines Für-den-Tod-Seins, sondern die Schrift der Horizontalität der Toten als Geburt und Ausdehnung aller unserer Körper. Man müßte all die Körper sammeln, lesen können. Ihre Spuren lesen. Ihre Schrift aufspüren als einen Apparat. Als Werkzeug. Um Zeugnis abzulegen, Zeugin zu werden und so zu erzeugen. Einen Untersuchungsapparat. Ein Apparat, der verkörpert und vermisst. Rezeptiv.

So bin ich hier und gehe zur Sicherheit – wer bin ich hier geworden – meinen Abdrücken nach. Wie liegen sie auf, meine Fersen, meine Fußsohlenkanten. Was von meinen Beinen berührt welche Oberfläche. Wie liegt mein Becken auf? Von dort die Wirbelsäule in ihrem doppelt S. Schlange mit Federn. Rippenfedern. Rippenkorb. Zu dem Schultergürtel. Da, wo meist die einzelnen Teile so ineinander geschoben, verhakt, verpackt sind. Als Einzelteile kaum mehr wahrnehmbar. Und doch diese Blätter, die da hängen, gleiten, aufliegen. Schwingende Schulterblätter. Schwingende Armen. Die jetzt ruhig daliegen. Strahlenhänden an deren Ende. Und dann der Kopf, diese Kugel, zusammengesetzt aus drei gewölbten Platten. Nahtlose Nähte. Alles da. Seltsam vertraut, gewöhnlich fremd. Durchatmen. Meinen Körper mit Sauerstoff, mit dieser Luft hier, fluten.

Ich lebe noch, lebe wieder. Mit jedem Atemzug. Als ob das selbstverständlich wäre.

Sinkt und hebt sich mein Brustbein, mein Bauch mit jedem Atemzug. Aufgehoben in meinem Atemrhythmus, vor dem Aufstehen. Aufstehen heisst meine Glieder zusammen zu sammeln und sie so zu ordnen, sich ordnen zu lassen, dass sie sich aufstellen. Ich mich ihrer Gliederung überlasse. Dem Erfahrungswissen von 7 Millionen Jahren. Wie sie ihren Weg in die Vertikale finden. Mir den Weg zeigen. Das Vermessen des Zwischenraums. Zwischen oben und unten. Den es freilich immer gibt. Nicht nur in der Geraden. Zwischen der einen und der anderen Seite. Zwischen Hier und Dort.

Die Erfahrung des Aufrichten ist immer überwältigend. Jede Bewegung ist im Wesen überwältigend. Ist Nacht, ist blind. Hinterlässt eine seltsame Spur. Eine gespürte Spur. Bewegung. Seltsame organisierte Inkohärenz. Unordnung die Wirkungen entfaltet. Eine Kakophonie von Ursachen und Wirkungen aus der eine Gesamtbewegung entsteht. Ein Weg. Eine in einem Raum wirkende Kraft. Eine in ein Gewebe wirkende Kraft. In eine Matrix. In einen Mutterboden könnte man sagen. Die einen Ausdruck, einen Abdruck entstehen lässt. Einen Eindruck. Das ist beeindruckend. Wieder und wieder. Du musst dabei gewesen sein. Sonst ist es schwer zu verstehen. Dieses Entstehen. Dieses Schwingen, dieses Form annehmen. Dieses Werden. Dieses Formen. Du bist immer dabei. Mit jeder Bewegung, die du selbst vollziehst. Ist dein Verstehen in Bewegung. Verstehst Du anders. Jede Bewegung 7 Millionen Jahre Erfahrungswissen. Jede kleinste Regung Potential. Verzweigtes Verstehen.

Und da stehst Du dann. Auf Deinen Beinen. Auf Deinen Füßen. Auf einem Boden. In unserer einer Welt. Einer Oberfläche. Einer Unterlage. Mit den untersten Abschnitten der Beine der Landwirbeltiere. Wir Tetrapoda. 33 000 Arten gibt es von uns. Mit hinteren Extremitäten aus Zehennagel, Kralle, Huf und Zehenballen. Und den menschenspezifischen unteren Extremitäten. Dem Fersenbein. Dieser verrutsche Huf. An Fußsohle und Zehen befinden sich Rezeptoren. Sinneszellen in besonders hoher Dichte. Sie tasten, nehmen auf und empfangen. Berührungsrezeptoren der Haut. Des Tastsinnes. Propriozeptoren – also Rezeptoren für die Innenwahrnehmung der Muskel, Sehnen und Bändern und Gelenke. Die, die uns signalisieren: Lauf! Bleib stehen! Spring! Kraftsinn – so hoch kann ich springen. Stellungssinn: hier kann ich sein und entspannt mein Gewicht von einem Bein zum anderen schieben. Deine Gebeinen. Diesen Knochen, die deinen Körper gliedern. Gliedmaßen, die den Raum zu vermessen. Mit ihren Hohlräumen. Im Inneren. Dem Binde- und Stützgewebe. Dem Netzwerk von Knochenzellen. 25 % Wasser, 30 % organischen und 45 % anorganischen Stoffen. Bestehend aus Mineralstoffen. Anorganische Nährstoffe, die der menschliche Organismus nicht herstellen kann. Lebensnotwendige Stoffe. Nicht organisch. Und doch Bestandteile des Organischen. Von lebenden Verbindungen. Leben-in-Stand-haltend. Struktur gebend. Mineralien. Sie haben vor langer Zeit unser organisches Gewebe infiltriert. Darum gehen wir aufrecht. Darum sind unsere Knochen wie sie sind. Mineralien. Sie formen die Grundarchitektur unserer Mobilität. Sie leiten die elektrischen Impulse und unsere Nervensignale weiter und regulieren sie. Regulieren uns.

Schreiben uns. Entwickeln diese Schrift, die wir mit jeder Handlung, jeder Bewegung der Gliedmaßen weiterscheiben. Eine Schrift die vor 250 Millionen Jahren begann und sich wieder und wieder fortschreibt. Eine Schrift des Werdens, des Aufrichtens. Eine Schrift, die sich aus der Vergänglichkeit speist. Geformt aus Formlosen. Eine Schrift, die Teil des Körpers ist. Gestalt wird, Figur, Form. Formiert, informierende und formierende Schrift als Körper, Körper der Welt. Die berührt und berührt werden kann. Mit einem Schreiben, dass sich nicht über die Welt der Körper erhebt und sich nicht unberührbar von der Welt der Körper macht. Sondern sich in unserem Verständnis zutiefst aus den Kerben, den Rillen, den Räumen unsere Knochen bildet.